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Der TÜV für Gebäude
Interview mit Benjamin Weismann zur Energieberatung in Deutschland

Berlin
, 12.10.2023
Benjamin Weismann ist Geschäftsführer der bundesweiten Interessenvertretung für Energieberater (GIH). Er setzt sich aktiv für nachhaltige Energielösungen ein und ist mit seiner Expertise ein geschätzter Akteur der Energiewende.
Herr Weismann, Energieberater werden im Moment vermehrt aufgesucht. Welche Fragen sind derzeit am häufigsten? B. Weismann: Derzeit sind leider viele Eigentümer verunsichert. Damit werden Energieberater häufig konfrontiert. Das hat viele Gründe: von der unzureichenden Kommunikation seitens der Regierung zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) bis zu übertriebenen, teils falschen Aussagen in der Presse. Die Ursache ist insbesondere die unklare politische Lage, verstärkt durch die höchstrichterliche Verschiebung des GEG. Viele Fragen beziehen sich auf die Heizungen. Manche Hauseigentümer haben Angst, dass sie mit den geplanten Anforderungen des GEG (65 Prozent erneuerbare Energien beim Einbau neuer Heizungen) in eine Kostenfalle rutschen und bauen schnell noch eine Öl- oder Gasheizung ein. Einige Energieberater fühlen sich gerade als „Erklärer“ der Politik. Dies sollte nicht notwendig sein und nimmt viel Zeit in Anspruch.
Welche Rolle spielen dabei Pelletheizungen? B. Weismann: Grundsätzlich kann man sagen je unsanierter und größer ein Gebäude ist, desto sinnvoller ist eine Pelletheizung. Wärmepumpen sind bei hohen Vorlauftemperaturen nicht effizient. Fällt die alte Heizung im Winter aus und ist nicht reparierbar, muss rasch gehandelt werden, damit die Bewohner nicht im Kalten sitzen. In diesen Fällen sind Pelletheizungen meist die richtige Lösung.
Was macht eine gute Energieberatung aus? B. Weismann: Beratung heißt für mich zuerst mal zuhören und sich ein ganzheitliches Bild von der Situation zu machen. Was möchte der Kunde? Worauf legt er Wert? Wie sehen die Bedürfnisse aus? Wie will er das Gebäude nutzen? Ist er an einer kosteneffizienten Lösung interessiert oder eher an einer nachhaltigen? Wie sieht die finanzielle Situation aus? Erst auf Grundlage dessen kann der Energieberater technische Lösungen entwickeln. Wichtig dabei sind immer die Energieeffizienz und die Verwendung von erneuerbaren Energien. Einen guten Energieberater zeichnet außerdem aus, dass er nicht nur auf finanzielle und wirtschaftliche Aspekte eingeht, auch wenn diese häufig im Vordergrund stehen. Er sollte auch weitere Faktoren wie Behaglichkeit, Sicherheit, Anwenderfreundlichkeit etc. in die Beratung integrieren. Ich habe zum Beispiel schon von Kunden gehört, für die waren auch gesundheitliche Aspekte der Anlass einer energetischen Sanierung, z. B. wenn ein Allergiker dank einer pollenfilternden Lüftungsanlage auf einmal viel besser schläft.
Warum ist es wichtig, dass Kunden sich beraten lassen? B. Weismann: Ich vergleiche eine Energieberatung gern mit dem TÜV beim Auto. Da fährt man – gezwungenermaßen – regelmäßig hin, auch wenn das Auto noch funktioniert. Oft bekommt man dann von den Fachleuten Hinweise zum Zustand des Wagens. Dann kann sich der Eigentümer überlegen, welche Investitionsentscheidungen er tätigt. So ein Check sollte auch beim Gebäude regelmäßig durchgeführt werden. Ein Energieeffizienz-Experte begutachtet idealerweise in regelmäßigen Abständen das Gebäude, fragt den Kunden nach den Wünschen und Lebensumständen und entwickelt daraufhin verschiedene Varianten zur energetischen Sanierung. Wichtig dabei ist die langfristige Planung. Denn nicht alle Eigentümer haben die finanziellen Möglichkeiten, einen Altbau in einem Rutsch energetisch zu sanieren. Natürlich bieten Handwerker, Bekannte und das Internet viele Hinweise. Wichtig ist aber, diese unabhängig, neutral, ganzheitlich und gewerkeübergreifend zu betrachten. Und genau das bietet ein Energieberater.
Förderbedingungen und Heizungstechnik entwickeln sich rasant, wie können Energieberater hierbei immer auf dem neuesten Stand bleiben? B. Weismann: Wir hatten in den ersten zweieinhalb Jahren der neuen Bundesförderung für Gebäude (BEG) acht Förderzeiträume mit unterschiedlichen Regelungen. Das wurde schnell unübersichtlich. Deshalb bieten wir als GIH unseren unabhängigen Mitgliedern Informationen wie Merkblätter und bundesweite Veranstaltungen durch unsere Landesverbände vor Ort an. Zudem können sich Mitglieder bei einer Vielzahl an Schulungen weiterbilden. Hier arbeiten wir auch eng mit anderen Experten, wie z. B. dem DEPI zusammen.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) kommt, aber noch ist vieles unklar. Wie beurteilen Sie das sogenannte Heizungstauschgesetz? B. Weismann: Viel Vertrauen der Kunden wurde verspielt. Die Idee des GEG ist aber richtig! Wer jetzt noch Öl- oder Gasheizungen einbaut, wird sie 2045 oft immer noch betreiben. Und bis dahin will die EU also wollen wir alle, doch klimaneutral sein. Natürlich ist es sinnvoll, die kommunale Wärmewende mit dem GEG zu kombinieren. Gerade in Städten müssen die Kommunen die Netze rasch vorantreiben. Wir freuen uns, dass nun beim Einbau von z. B. neuen Öl- und Gasheizungen eine Beratung verbindlich vorgeschrieben ist, damit Kunden über die potenziellen Kosten und Risiken in Zukunft aufgeklärt werden. Dies sollte aber neutralen Energieberatern vorbehalten sein, die die Kunden gewerkeübergreifend und technologieoffen informieren. Wichtig ist dabei die Unabhängigkeit. Denn Energieberater bekommen keine Provision, noch verdienen sie Geld mit dem Einbau einer bestimmten Heizung. Sie suchen die beste Lösung für den Kunden. Das sollte für die Hauseigentümer das wichtigste Kriterium sein.
Welche Hürden sehen Sie für die Energieberatung? B. Weismann: Bis vor kurzem war die Energieberaterbranche neben den Handwerkern und der Verfügbarkeit von Materialien ein Flaschenhals. Durch den Einbruch im Neubausektor in den letzten Monaten sind die Wartezeiten von Energieeffizienz-Experten deutlich zurückgegangen. Es werden gerade außerdem immer mehr Energieberater ausgebildet. Wir als GIH bieten selbst diesen Grundkurs mit 200 Unterrichtseinheiten an vielen Standorten an. Gesetze und Förderprogramme müssen langfristig gelten und nicht ständig Änderungen unterliegen. Zu einem Förderstopp, wie wir ihn letztes Jahr zweimal erlebt haben, darf es nicht mehr kommen. Denn dann sind die Kunden verunsichert und Energieberater sind teilweise mit Regressansprüchen für entgangene Förderung konfrontiert worden. Sanierungen werden nicht über Nacht geplant, sondern dauern oft Monate, in Wohnungseigentümergemeinschaften teils Jahre. Daher ist Planungssicherheit das A und O. Eigentümer müssen Vertrauen in eine sinnvolle Gesetzgebung haben, die durch einfache und effiziente Förderungen flankiert wird.
Für Energieberater ist der GIH auf Bundesebene die zentrale Anlaufstelle zur Vertretung ihrer Interessen. Er ist der Dachverband von 13 Mitgliedsvereinen in den Bundesländern und repräsentiert etwa 3.500 qualifizierte Energieberater, zu denen Handwerksmeister, Techniker, Ingenieure, Architekten und Naturwissenschaftler gehören. Die im GIH organisierten Energieexperten übernehmen Beratungsleistungen für Wohngebäude, Gewerbe und Industrie sowie Kommunen.
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